Die Herausforderungen von Jugendlichen, wenn sie versuchen, die Probleme ihrer Geschwister auszugleichen

In der Jugendzeit, einer Phase intensiver persönlicher und sozialer Entwicklung, sind Geschwisterbeziehungen besonders prägend. Viele Jugendliche haben nicht nur mit den eigenen Herausforderungen des Erwachsenwerdens zu kämpfen, sondern auch mit den Konflikten und Problemen, die ihre Geschwister verursachen können. Diese Dynamik wird noch komplizierter, wenn sie versuchen, diese Konflikte bei den Eltern „auszugleichen“, um den Frieden in der Familie zu bewahren. Doch dieses Verhalten kann erhebliche emotionale Belastungen mit sich bringen, die sich negativ auf die Entwicklung und das Wohlbefinden der Jugendlichen auswirken können.

Das Bedürfnis nach Harmonie und Verantwortung

In der Jugendzeit ist der Wunsch nach Anerkennung und der Wunsch, von den Eltern gesehen und verstanden zu werden, besonders ausgeprägt. Jugendliche entwickeln in dieser Zeit ihre eigenen Werte und Persönlichkeitsmerkmale, gleichzeitig sind sie jedoch oft noch in die familiäre Struktur eingebunden, in der sie das Gefühl haben, Verantwortung zu übernehmen.

Wenn ein Geschwisterkind in Konflikte verwickelt ist oder Schwierigkeiten in der Schule hat, kann der andere Jugendliche versuchen, die Situation zu „entschärfen“ oder die Eltern vor den Problemen des Geschwisters zu schützen. Diese Dynamik wird besonders problematisch, wenn der Jugendliche das Gefühl hat, dass die Eltern nicht angemessen auf das Verhalten des anderen Geschwisters reagieren. Laut einer Studie von Howe und Recchia (2016) ist es häufig der Fall, dass ältere Geschwister, insbesondere in der Pubertät, das Gefühl haben, als „Puffer“ zwischen den Eltern und ihren Geschwistern zu fungieren, was zu einer unnötigen emotionalen Last führt.

Die psychischen Belastungen eines Ausgleichs

Das Ausgleichen von Geschwisterkonflikten kann für Jugendliche eine ernsthafte psychische Belastung darstellen. Studien zeigen, dass Jugendliche, die häufig in Konflikte zwischen Geschwistern eingreifen oder deren Probleme übernehmen, ein höheres Risiko für emotionale Schwierigkeiten wie Angst und Depressionen haben (Cicirelli, 1995). Der ständige Versuch, den Eltern den Rücken freizuhalten und Konflikte zu lösen, kann die Jugendlichen überfordern. Sie verlieren sich oft in der Rolle des „Vermittlers“ und kommen dabei zu kurz, da ihre eigenen Bedürfnisse und Gefühle nicht genügend Beachtung finden.

Gerade in der Pubertät, wenn Jugendliche beginnen, ihre eigenen Identitäten zu entwickeln und sich von den Eltern abzugrenzen, kann dieser ständige Konfliktausgleich zu inneren Spannungen führen. Sie fühlen sich möglicherweise zwischen den Eltern und ihren Geschwistern hin- und hergerissen und haben das Gefühl, dass ihre eigenen Gefühle nicht legitim sind. Dies kann zu Gefühlen der Frustration und der emotionalen Erschöpfung führen, da die Jugendlichen in der ständigen Erwartung leben, für das Verhalten ihrer Geschwister verantwortlich zu sein.

Die Rolle der Eltern in der Geschwisterdynamik

Ein zentrales Problem tritt auf, wenn Eltern unbewusst ein Kind bevorzugen oder das Verhalten eines Kindes als weniger problematisch wahrnehmen. Dies kann den Druck auf das andere Kind erhöhen, das Gefühl, für den Familienfrieden verantwortlich zu sein, noch zu verstärken. Wenn Eltern Konflikte zwischen ihren Kindern nicht direkt ansprechen, sondern einen „Schiedsrichter“ in Form eines älteren Geschwisters implizit einsetzen, wird diese Verantwortung auf das Kind abgewälzt.

Dunn (2000) erklärt, dass es für die Entwicklung von Jugendlichen wichtig ist, dass ihre Eltern sie nicht nur in ihren individuellen Bedürfnissen anerkennen, sondern auch aktiv an der Konfliktbewältigung teilnehmen. Wenn Eltern Konflikte zwischen Geschwistern nicht auf Augenhöhe ansprechen, können sich Jugendliche ungerecht behandelt oder übersehen fühlen. Sie nehmen die Rolle des „Vermittlers“ möglicherweise ohne eine ausreichende emotionale Unterstützung wahr, was zu langfristigen Problemen führen kann.

Das Bedürfnis nach Anerkennung und Aufmerksamkeit

Für viele Jugendliche, die die Probleme ihrer Geschwister ausgleichen, spielt die Anerkennung durch die Eltern eine entscheidende Rolle. Sie möchten möglicherweise zeigen, dass sie verantwortungsbewusst und reif sind, indem sie den Konflikt zwischen den Geschwistern „regeln“. In der Folge kann es zu einem Ungleichgewicht kommen: Das Kind, das ständig versucht, für den Frieden zu sorgen, erhält möglicherweise nicht die Anerkennung für die eigenen Bedürfnisse und Bemühungen.

Im Pubertätsalter ist es für Jugendliche besonders schwierig, ihre eigenen Bedürfnisse zu artikulieren und gleichzeitig die Anforderungen zu erfüllen, die ihnen von anderen Familienmitgliedern auferlegt werden. Diese belastende Aufgabe kann zu einem Gefühl der Vernachlässigung führen. Die psychologischen Auswirkungen davon, wie zum Beispiel Gefühle der Frustration oder des Grolls gegenüber den Eltern, sind nicht selten.

Emotionale und soziale Auswirkungen auf Jugendliche

Die emotionale Belastung, die durch das ständige Ausgleichen von Geschwisterproblemen entsteht, kann schwerwiegende Auswirkungen auf die soziale und psychische Gesundheit von Jugendlichen haben. Jugendliche, die versuchen, die Konflikte ihrer Geschwister zu lösen, ohne dass ihre eigenen emotionalen Bedürfnisse berücksichtigt werden, sind anfälliger für Einsamkeit, Stress und sogar Depressionen. Sie könnten Schwierigkeiten haben, gesunde Grenzen zu setzen und ihre eigenen Bedürfnisse in ihren Beziehungen zu anderen zu erkennen.

Zudem besteht das Risiko, dass diese Jugendlichen in der Entwicklung sozialer Fähigkeiten gehemmt werden. Studien zeigen, dass Jugendliche, die die Konflikte ihrer Geschwister zu stark übernehmen, Schwierigkeiten haben, gesunde, selbstbewusste Beziehungen zu anderen Gleichaltrigen aufzubauen (Cicirelli, 1995). Sie fühlen sich oft verantwortlich für das Verhalten anderer und entwickeln möglicherweise ein übermäßiges Verantwortungsbewusstsein, das ihre Fähigkeit, in sozialen Interaktionen authentisch zu sein, einschränkt.

Was Eltern tun können

Es ist wichtig, dass Eltern verstehen, welche Last sie ihren Jugendlichen auferlegen können, wenn sie von ihnen erwarten, die Konflikte der Geschwister zu lösen. Eltern sollten aktiv auf die Konflikte zwischen ihren Kindern eingehen, ohne eines der Kinder in die Rolle des Konfliktlösers zu drängen. Eine gesunde Kommunikation und ein aktiver Umgang mit den Bedürfnissen aller Familienmitglieder können helfen, die Last zu verteilen und die emotionale Belastung der Jugendlichen zu verringern.

Psychologen empfehlen, dass Eltern auch für die individuellen Bedürfnisse ihrer Jugendlichen sensibel sind. Sie sollten sicherstellen, dass jedes Kind in der Familie die Möglichkeit hat, seine eigene Identität zu entwickeln und dass Konflikte offen und auf Augenhöhe besprochen werden. Auf diese Weise kann der Druck, Konflikte auszugleichen, reduziert und das Wohlbefinden der Jugendlichen gestärkt werden.

Fazit

Jugendliche, die versuchen, die Konflikte ihrer Geschwister zu lösen, stehen vor einer komplexen Herausforderung, die ihre eigene emotionale und soziale Entwicklung beeinträchtigen kann. Die ständige Übernahme von Verantwortung für das Verhalten anderer kann zu Stress und psychischen Belastungen führen und die Beziehungen innerhalb der Familie belasten. Es ist daher entscheidend, dass Eltern aktiv in die Konfliktbewältigung eingreifen und ihre Kinder in ihren eigenen Bedürfnissen ernst nehmen. Nur so kann ein gesundes familiäres Umfeld geschaffen werden, in dem alle Mitglieder, einschließlich der Jugendlichen, ihre Entwicklung ohne übermäßigen Druck erleben können.

Quellen

  • Cicirelli, V. G. (1995). Sibling Relationships Across the Life Span. Plenum Press.
  • Dunn, J. (2000). Sibling Relationships and Their Role in Early Social Development. In D. C. D. H. K. V. Thomas (Ed.), Sibling Relationships: Their Nature and Significance Across the Lifespan (pp. 21-42). Lawrence Erlbaum.
  • Howe, N., & Recchia, H. (2016). The role of sibling relationships in early development. In Handbook of sibling relationships. Wiley.

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